Kräuterseitlinge selbst gemacht - Leitfaden Teil 1
Kräuter, Obst oder Gemüse haben die meisten von uns wahrscheinlich schonmal versucht anzupflanzen. Doch Speisepilze, das haben wahrscheinlich die Wenigsten schonmal gemacht. Und mit selbstgemacht, meine ich wirklich selbstgemacht. Okay, die Pilzsporen, also das Pilzmyzel haben auch wir dazugekauft, den Rest wollen wir aber wirklich DIY von Grund auf selbst machen.
Bevor es losgeht aber nochmal die wichtigsten Fakten, die einen Pilz zum Pilz machen. Dass Pilze weder Pflanzen noch Tiere sind, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Aber was sind sie dann? Tatsächlich bilden die Pilze eine eigene Gattung, zwischen den Pflanzen und den Tieren, und zwar unter anderem deshalb, weil ihre Zellen Eigenschaften beider (Pflanzen und Tieren) mitbringen.
Das, was wir im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt als Pilze kaufen, sind eigentlich auch nur die Fruchtkörper des Pilzes. Ein Pilz ist nämlich meist ein großes unterirdisches Netz aus feinen „Fühlern“, die Wurzeln gleichen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der größte lebende Organismus, den wir auf der Welt kennen, ein Pilz ist. Genauer ist es ein Honigpilz aus der Gattung der Hallimasch. Sein unterirdisch weit verzweigtes Pilzgeflecht (Myzel genannt) erstreckt sich über eine 900 Hektar große Fläche.
Außerdem haben Forscher*innen herausgefunden, dass Pilze oft (nicht immer) in Symbiosen mit Pflanzen leben, und so beide voneinander profitieren und insgesamt gesünder leben. All das lässt darauf schließen, dass Pilze eine weitaus wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Dazu aber ein andermal mehr.
Anhand unseres Leitfadens sollt ihr es schaffen, zu Hause selbst einmal Kräuterseitlinge zu züchten und die Fruchtkörper zu ernten.
Da wir, soweit es geht alles selbst herstellen, handelt es sich hierbei um Teil 1 der Reihe. Hier wird es darum gehen, das Pilzgeflecht, also das Myzel zu vermehren und so stark zu bekommen, dass wir es in Substrat wachsen lassen können. Erst dort werden wir dann „Pilze“ ernten können.
Also lasst uns anfangen.
Zunächst einmal, eine Liste an Zutaten und Equipment, welches ihr benötigt. Ich bin Fan von DIY, weshalb auch ihr gerne dazu eingeladen seid, Dinge abzuändern, oder zu verwenden, die ihr zur Hand habt, anstatt alles neu zu kaufen. Um ein paar spezielle Dinge kommen wir aber nicht herum.
- Mikrofilterbeutel | 9,32 € *
- Micropore-Tape | 4,95 €*
- Alkoholtupfer | 4,35 €*
- Pilzmyzel vom Kräuterseitling | 9,99 €
- Verschweiß- oder Vakuumiergerät | 29,99 €*
- 1 kg Weizen | 7,74 €*
- Eimer (2 Liter)
- Schnellkochtopf | 69,90 €*
Habt ihr all die Dinge auf den Listen beisammen, kann es losgehen.
Erstmal brauchen wir den Weizen. Hierbei empfehle ich euch (woanders habe ich es auch nicht gefunden) in den Biomarkt eures Vertrauens zu gehen und dort 1 Kg ungeschälten Weizen zu kaufen. Dieser kostet meist zwischen 2 und 4 €. Um den Weizen „empfänglich“ für unseren Pilz zu machen, wird dieser zu Hause erstmal gewaschen, ein bis zweimal durchspülen sollte reichen, und schließlich mit kaltem Wasser eingeweicht.
Achtet hierbei darauf, dass der komplette Weizen mit Wasser bedeckt ist, damit auch wirklich jedes Korn gut aufweichen. Diesen solltet ihr im Anschluss ca. 20 Stunden einweichen lassen. Auf keinen Fall sollte der Weizen länger als 24 Stunden im Wasser liegen, da sonst die ersten Körner anfangen zu keimen. Sind die 20–24 Stunden vergangen, gießt das (mittlerweile leicht verfärbte) Wasser ab und spült die Körner noch einmal mit kaltem Wasser durch. Danach solltet ihr sie möglichst großflächig auf einem Küchentuch o. Ä. ausbreiten und sie für 30 Minuten trocknen lassen.
So, Schritt #1 wäre geschafft. Nun kommt der spannende Teil. Das Sterilisieren. Hierzu habe ich einen Schnellkochtopf verwendet, diesen habe ich mir ausgeliehen, da ich keinen neuen kaufen wollte. Ich empfehle auch euch mal im Freundes- und Verwandtenkreis nachzufragen. Achtet nur besonders darauf, dass der Schnellkochtopf noch einwandfrei funktioniert. Das Überdruckventil als auch die Gummidichtung und der Topf selbst sollten ohne Schaden sein.
Beim Sterilisieren geht es darum, potenzielle Keime oder andere Pilze, die sich im Weizen befinden können, abzutöten. Das geht zu Hause eben am besten unter erhöhtem Druck und Temperatur gepaart mit einer relativ langen Sterilisation.
Füllt dazu den inzwischen getrockneten Weizen in einen der Plastikbeutel und faltet ihn ordentlich zusammen, danach wird er zu einem kompakten Paket zusammengerollt. Achtet dabei darauf, dass der Filter sich nicht auf der "Außenseite" eures gerollten Beutels befindet. Ich fixiere den Beutel zusätzlich mit einem Streifen Tesa-Film, damit sich der Beutel im Kochtopf nicht aufbläht.
Legt den Beutel auf den Gar-Einsatz im Topf und füllt Wasser bis ca. 1 cm unter den Beutel ein. Topf verschließen, dabei darauf achten, dass alles richtig sitzt und dicht ist, das Ventil stellt ihr auf die höchste Stufe, damit möglichst wenig Druck entweicht (meistens mit einem Hühnchen oder Fleisch gekennzeichnet).
Herd einschalten und auf hoher Stufe warten, bis sich das Überdruckventil hebt, oder Dampf aus dem Topf zischt. Wenn es so weit ist, könnt ihr den Herd etwas runterdrehen, ungefähr auf die Mitte, und die Sterilisation beginnt. Ich empfehle euch hier eine Zeit von 90 Minuten. Zur Sicherheit würde ich euch außerdem raten, dass ihr euch während der Sterilisation nicht allzu weit vom Herd entfernt, bleibt also am besten in der Küche. Sollte nämlich irgendwann kein Dampf mehr aus dem Topf kommen, oder der Topf sich komisch anhören, könnt ihr eingreifen bevor etwas passiert. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass ein Schnellkochtopf explodiert. Darauf anlegen muss man* es aber auch nicht.
Nach den 90 Minuten macht ihr den Herd aus und lasst alles über Nacht herunterkühlen.
Am nächsten Tag könnt ihr vorsichtig den Topf öffnen. Dabei sollte der Beutel noch mehr oder weniger unverändert da liegen, nur die Weizenkörner dürfen sich etwas dunkler verfärbt haben. Wenn ihr dann auch noch kein bis kaum Wasser im Plastikbeutel habt, ist alles erstmal gut gelaufen.
Schritt #3 Verschweißen
Nun ist der Weizen sterilisiert, und damit das auch so bleibt, werden wir den Beutel verschweißen. Dazu faltet ihr jetzt vorsichtig den Plastikbeutel wieder auseinander, versucht jedoch zu vermeiden, ihn weit aufzumachen. Es soll möglichst wenig Luft eindringen, die nicht durch den Filter gesaugt wird. Ich habe aus der Küche ein Vakuumier- und Verschweißgerät verwendet, es gibt allerdings auch Verschweißgeräte, die sich etwas besser einigen. Mit meinem Vakuumiergerät hat es jedoch wunderbar funktioniert.
Versucht die Naht so nah wie möglich über den Filtereinsatz des Plastikbeutels zu setzen, so könnt ihr mehrere Nähte übereinander setzen und sichergehen, dass der Beutel auch wirklich dicht ist.
Je nach Verschweißgerät ändert sich natürlich die Stufe oder Dauer des Verschweißens. Ich empfehle euch deshalb gerne vorher schonmal ein bisschen rumzuprobieren. In der Regel ist hier mehr, aber mehr. Wählt also eine eher hohe Stufe (Skala 1–10 eine 7) und lasst das Gerät auch nach Ende der Verschweißung noch für 10–20 Sekunden abkühlen. So erhaltet ihr hoffentlich eine schöne Naht.
Schritt #4 Das Beimpfen
Nun kommen wir zum vorerst letzten Schritt unseres ersten Teils. Der Pilz kommt endlich auf den Weizen. Lockert dazu die Körner erstmal etwas auf und verschafft auch dem Beutel etwas Luft zum Atmen. Dazu könnt ihr die Beutelwände unter der Naht etwas auseinanderziehen, wichtig ist, dass der Filter „frei“ liegt und gut Luft durchlässt. Stellt den Beutel dann vor euch ab und nehmt eines der Alkoholtücher. Reibt eine Stelle eurer Wahl mit dem Tuch ein und lasst es darauf liegen, bis ihr die Spritze mit dem Myzel bereit habt.
Stecht jetzt an der desinfizierten Stelle mit der Nadel ein und verteilt das Myzel so gut es geht in alle Richtungen auf dem Weizen. Lasst die Spritze dann erst noch im Loch hängen, bis ihr das Micropore-Tape zur Hand habt, um das Loch zu verschließen.
Legt den Beutel nun an einen eher warmen (22-25 °C) warmen Ort, oder natürlich eine Thermobox / Inkubator, bei dem ihr die Temperatur einstellen könnt.
Geschafft! Das war der erste Teil unserer Pilzzucht. Wenn ihr bis hier hin durchgehalten habt, dann seid gespannt auf unseren nächsten Teil, in dem es darum geht, den gewachsenen Pilz in frisches Substrat zu überführen. Dort kann er sich dann ernähren und so groß und stark werden, dass am Ende eine ein paar Kräuterseitlinge zu ernten sind.
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