COVID-19 und das Klima. Kam die Pandemie als letzte Rettung?

Anfang des Jahres haben Politiker_innen, Wissenschaftler_innen und TV-Moderator_innen heiß über die zu erreichenden Klimaziele für 2020 diskutiert. Niemand hat erwartet, dass diese kurze Zeit später beinahe in Vergessenheit geraten.
Wie passend also, dass sich mit dem Beginn der Pandemie, der Klimawandel scheinbar von selbst löste.

Bereits wenige Wochen nach den globalen Lockdowns, erreichten uns Bilder von klaren Kanälen in Venedig, wilden Tieren, die ihren natürlichen Lebensraum zurückeroberten und deutlich verbesserten Luftqualitäten in Großstädten.  
Flugzeuge blieben am Boden, gearbeitet wurde von Zuhause und auch die Wirtschaft stagnierte so weit, dass viele Fabriken kurzzeitig stillstanden.  
All das ließ zumindest in Bezug auf die Umwelt etwas aufatmen, führte jedoch zu einem großen Trugschluss.

Denn es reicht nicht einfach hin und wieder ein paar Wochen “Pause” zu machen, um dann wieder ohne Rücksicht den klimabelastenden Tätigkeiten des Alltags nachzugehen. Es muss weiterhin nach dauerhaften und nachhaltigen Methoden gesucht werden, die Erderwärmung zu verlangsamen.
Zwar ist die Freude groß, dass die geplanten Klimaziele für Deutschland 2020 aller Voraussicht nach eingehalten werden können, jedoch sind diese Ziele sowieso schon unzureichend berechnet und auch nichts, worauf wir uns ausruhen sollten.

Solche globalen Krisen kommen selten alleine

Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwischen schlechter Luftqualität und COVID-19 Infektionen. Es wird vermutet, dass in Gebieten mit sehr hoher Luftverschmutzung, also einer hohen Konzentration von PM 2.5 und NO2 in der Atemluft, eine höhere Infektionsrate zu verzeichnen ist. Die luftverschmutzenden Partikel PM 2.5 (Feinstaub mit einer Größe von 2.5 Mikrometern oder kleiner) und NO2 (Stickstoffoxid) führen in der Lunge zu einer Überexpression (also vermehrten Ausbildung) des ACE-2 Rezeptors, der Rezeptor über den SARS-CoV-2 in die Wirtszelle und somit in unsere Körper gelangt. Haben Menschen viele dieser Rezeptoren, ist die Wahrscheinlichkeit höher sich anzustecken. Diese sogenannte "double-hit" Hypothese, also ein Fall, bei dem zwei unabhängige Faktoren sich gegenseitig verstärken, ist schlüssig, da bei aktiven Raucher_innen ebenfalls eine Überexpression des ACE-2 Rezeptors und damit einhergehend eine höhere Infektionsrate festzustellen war.

Eines hat die Pandemie uns aber vor Augen geführt: Die Bundesregierung ist sehr wohl in der Lage in Krisensituationen schnell Gelder zu verflüssigen, zeigt jedoch auch, wie unaufrichtig der Wille zur Klimarettung ist.
Es ist erstaunlich, wie Geldpakete in Millionenhöhe geschnürt werden, um Konzerne und Wirtschaft zu retten, jedoch die Jahrzehnte vorher kein Geld für ein profundes Klimaprogramm da war.

Damit soll an dieser Stelle nicht grundsätzlich gegen wirtschaftliche Konjunkturprogramme argumentiert werden. Natürlich müssen Jobs und damit einhergehend die Existenzen der Bevölkerung gesichert sein, das steht außer Frage. Allerdings waren die Probleme mit dem Klima auch schon vor der Pandemie da und wirklich effektive Strategien blieben aus.

Stattdessen hat uns die Krise nach einer Woche Lockdown gezeigt, dass in unserer Gesellschaft einiges im Argen ist. Stehen nach zwei Wochen Lockdown die Existenzen von Millionen Menschen auf dem Spiel, bedeutet das nicht, dass wir mit SARS-CoV-2 falsch umgegangen sind, sondern, dass wir simpel gesagt permanent am Limit unseres Systems kratzen. Nachhaltigkeit ist was anderes.

Doch heute geht es nicht um die Wirtschaft, sondern um Klimaschutz in Zeiten einer globalen Krise.

Denn, neben all den tragischen Ereignissen, hat uns die Pandemie etwas Gutes gelehrt:
Auf die Menschen zu hören, die sich wirklich mit den Dingen auskennen. So haben Wissenschaftler_innen und Mediziner_innen in den letzten 6 Monaten eine wichtige Rolle eingenommen. Alle Augen schauten plötzlich auf die Ergebnisse der Studien und Versuche zu Infektionsverläufen, Verbreitung und Impfstoffen. Die Bundesregierung stand in permanentem Austausch mit führenden Virolog_innen und gab die Empfehlungen schnellstmöglich bekannt. So sollte es zukünftig auch mit dem Klimaschutz laufen.

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Dieses Interesse und das offene Ohr für die Wissenschaft müssen wir uns dringend beibehalten

Dass der Fokus im Moment auf der Bewältigung der Pandemie liegt, ist klar und das ist auch gut so. Jedoch darf man nicht aus den Augen verlieren, dass das Klima keine Pause macht, und es sich dabei ebenfalls um eine langfristige Bedrohung für die Menschheit handelt.  SARS-CoV-2 gibt uns einen realistischen Ausblick, wie globale Krisen in der Zukunft laufen könnten. Nur haben wir mit dem Klimawandel nicht diesen einen konkreten Gegner wie einen Virus, für den man einen Impfstoff entwickeln kann und das Risiko dadurch enorm eindämmt, sondern ein Problem, welches sich von allen Seiten bemerkbar macht. Schon jetzt sind Menschen im globalen Süden von massiven Dürren und Ernteverlusten betroffen, alles Probleme, die auch während einer Pandemie weiterhin bestehen und noch extremer werden. Dabei sind es zum Großteil, gerade die Menschen im globalen Süden, die am wenigsten Schuld am Klimawandel tragen.

Alleine deswegen stehen wir in der moralischen Pflicht unsere Ziele auch während einer Pandemie weiterhin zu erfüllen.

Der Weg ans Ziel ist ein Dauerlauf und kein 100 m Sprint

Was abschließend zu sagen bleibt ist, dass die Pandemie den Klimawandel leider nicht stoppen wird, aber es lehrt uns auch, dass wir die Zusammenarbeit von Regierung und Wissenschaft aller Art besser und dauerhaft in die Politik integrieren müssen. Nur wenn Aussagen von Klima-Experti_innen so ernst genommen und umgesetzt werden, wie die Aussagen der Virolog_innen, kann man nachhaltig etwas gegen den Klimawandel tun. SARS-CoV-2 hat uns auch gezeigt, wie eine Zukunft mit autofreien Städten aussehen könnte. Am besten fangen wir gar nicht erst wieder damit an, sie mit Autos zu füllen.

Quelle:

Frontera, A., Cianfanelli, L., Vlachos, K., Landoni, G., & Cremona, G. (2020, August). Severe air pollution links to higher mortality in COVID-19 patients: The "double-hit" hypothesis. Retrieved October 04, 2020, from https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7240268/
Walliczek-Dworschak, P. (2020, April 20). COVID-19: Erhöhte ACE2-Expression bei Rauchern und COPD. Retrieved October 04, 2020, from https://www.gelbe-liste.de/pneumologie/covid-19-ace2-expression-raucher-copd
Creutzig F., Lohrey S., Emele L., Le Quéré C., Jones M. (2020, August). COVID-19 und CO2-Emissionen in Deutschland: Eine Analyse basierend auf den Schätzungen des Global Carbon Projects. Retrieved October 04,2020, from https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/covid_19_co2_deutschland_bf.pdf